Frau Wolk, NCC |
Therese Delay |
Frau Tresch, Psychologin |
Ursel Brunner |
Frau Wrage
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Bettina Geiger |
Frau Jenkins
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Andrea Egli |
Frau Gerber |
Nicole Iten
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Frau Neuenschwander |
Julie Mock |
Herr Neuenschwander |
Lukas Erne |
Herr Tschudi |
Jan Da Rin |
Herr Krause
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Tino Lüscher
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Herr Bihler
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Nick Stöckli |
Herr Müller |
Jacques Fuchs |
Herr Ritter
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Bernd Reichert |
in weiteren Rollen |
Alice Schifferle |
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Ernst Schär |
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Marcel Erni |
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Jonny Schifferle |
Urs Widmers umfangreiches Werk umfasst Romane, Erzählungen, Essays, Theaterstücke und Hörspiele. Er galt als einer der vielseitigsten Schweizer Autoren der Gegenwart. Die Stärke seiner Werke liegt im fantasievollen, ironischen Ausspinnen trivialer Handlungsschemata der klassischen Abenteuer- und Reisegeschichte bis hin zur Parodie und zum Surrealen. Widmer wollte einerseits „Fiktion“ schreiben, aber dabei auch „möglichst viel gesellschaftliche Wirklichkeit spürbar werden lassen.“ Mit seinem Werk gelang Widmer nicht selten ein Brückenschlag zwischen U und E, zwischen avantgardistischem Gestus und Büchern mit Bestsellerpotential. Die Jury des Friedrich Hölderlin Preises 2007 bemerkte, eine Stärke von Widmers Texten sei “der Wechsel der Töne (…): Ironie und Satire stehen neben surrealer und realistischer Präzision”.
Sein erfolgreichstes Theaterstück Top Dogs, eine Sozialsatire, präsentierte Widmer mit dem Regisseur Volker Hesse beim Berliner Theatertreffen 1997. Aus entlassenen Führungskräften, den sogenannten „Top Dogs“, werden dort „Underdogs“. In einem Outplacement-Center erleben sie das Grauen und das Groteske, das sie anderen durch ihre Entlassung zugefügt haben, an sich selbst.
Ab 2000 wiesen viele von Widmers Werken autobiografische Bezüge auf. Zu seinen größten Publikumserfolgen zählt seine (pseudo-)autobiografische Trilogie über seine Mutter (Der Geliebte der Mutter, 2000), seinen Vater (Das Buch des Vaters, 2004) und sich selbst (Ein Leben als Zwerg, 2006). Darin werde deutlich, wie das doppelbödige Spiel seiner Eltern – eine burleske Fassade vor einem ernsten Hintergrund – auch seinen späteren Schreibstil beeinflusst habe. Läse man den Roman Der Geliebte der Mutter als autobiografischen Text, so würde der Autor darin damit kokettieren, der Sohn des einflussreichen Schweizer Unternehmers und Dirigenten Paul Sacher zu sein. Die Ambiguität des Textes zwingt nicht zu einer solchen Lesart, hält sie aber offen.
Außerdem war Widmer wie schon sein Vater als Übersetzer tätig. So übersetzte er eine Vielzahl an Werken französischer und englischsprachiger Autoren.
Leben
Urs Widmer wurde als Sohn des Übersetzers, Literaturkritikers und Gymnasiallehrers Walter Widmer in Basel geboren. Aufgrund der Tätigkeit seines Vaters kam Widmer schon als Kind in Kontakt mit der Literatur und dem Literaturbetrieb. So war der deutsche Autor und Nobelpreisträger Heinrich Böll häufiger Gast im Hause Widmer. Widmers Deutschlehrer am Realgymnasium Basel war der Autor Rudolf Graber. Er studierte Germanistik, Romanistik und Geschichte an den Universitäten von Basel, Montpellier und Paris. 1966 wurde er in Basel bei Heinz Rupp mit der Arbeit 1945 oder Die „neue Sprache“. Studien zur Prosa der „jungen Generation“ promoviert.
Anschliessend begann Widmer als Verlagslektor zunächst beim Walter Verlag in Olten, wechselte dann nach Deutschland zum Suhrkamp Verlag. Den Verlag verließ er bald wieder, nicht aber die Stadt Frankfurt am Main, wo er von 1967 bis 1984 als freier Schriftsteller lebte, ehe er wieder in die Schweiz zurückkehrte. Während seiner Zeit in Frankfurt schrieb er Kritiken für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und lehrte als Dozent für neuere deutsche Literatur an der Universität Frankfurt. 1968 debütierte Widmer als Schriftsteller mit der Erzählung Alois. 1969 gehörte er zu den Mitbegründern des Verlags der Autoren, durch den seine Theaterstücke noch heute publiziert werden.
Urs Widmer war Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste in Bensheim, der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg und Mitglied im Grazer Forum Stadtpark.
Urs Widmer verstarb am 2. April 2014 nach schwerer Krankheit. Sein Leichnam liegt am Friedhof Enzenbühl in Zürich begraben. Bis zu seinem Tod lebte er in Zürich. Er war mit einer Psychoanalytikerin verheiratet und Vater einer Tochter.
Sein Nachlass befindet sich im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern.
(Quelle: Wikipedia)
(Photo: ddp)
“Ja, sagte der Vorstand, wir wollen «Top Dogs» realisieren.
«Top Dogs» von Urs Widmer. Ein bekanntes, ein populäres Stück. Ein aussergewöhnlicher, anspruchsvoller Theatertext, auch in Mundart. Da kommt einiges an Probenarbeit auf uns zu, denkt der Regisseur. Zusammen mit den Mitgliedern des Theatervereins ist es, so zeigt es sich in der konkreten abendlichen Zusammenarbeit, ein vergnügliches Unterfangen. Das Engagement ist gross. Nicht nur zeitlich, auch auf der Bühne in den Proben. Die Schauspieler und Schauspielerinnen beissen sich in den Text, kneten und formen ihn und lassen ihn, leicht wie eine Feder, durch das Gewölbe der Propstei fliegen. Sie lassen sich ein auf chorische, auf musikalische Arbeit und: sie tanzen! Und sie machen das gut. Und das am Abend, nach getaner täglicher Arbeit. Chapeau!
Hinzu kommen die Vereinsmitglieder, die dafür sorgen, dass es eine Tribüne gibt, die Licht- und Tontechnik einrichten, die Requisiten besorgen und raffinierte Bühnenbildtricks realisieren, oder Probenprotokolle erstellen und damit der Regie helfen, falls sie sich nicht mehr erinnert, die sich um Kostüme kümmern, um Frisuren und Schminke, oder eine TOP DOGS Lounge dekorativ einrichten und sich ein spezielles TOP DOGS Menü ausdenken. Die an der Kasse sitzen und Zuschauer begrüssen, die hinter der Bar stehen und jene, welche den Zuschauern kulinarische Leckerbissen an den Tisch kredenzen. Und auch die, die ein Plakat entwerfen und die Website des Vereins fortlaufend aktualisieren. Theater machen heisst verantwortungsvolle und konkrete Zusammenarbeit auf vielen Ebenen.
Der Regisseur dankt, flüstert ein toi toi toi und freut sich über ein volles Haus mit begeisterten Zuschauern.”
Werner Bodinek
www.bodinek.ch
Theaterstück von Urs Widmer — Mundartbearbeitung Kurt Bösch
„Sie sind entlassen worden.“
„Entlassen? Hören Sie, das hätte man mir gesagt!“
„Man hat es Ihnen gesagt, aber Sie haben nicht zugehört.“
Als Urs Widmer, einer der grossen schweizerischen Schriftsteller, 1996 sein Theaterstück „Top Dogs“ schrieb, hieß es, die fetten Jahre seien vorbei. Wirtschaftskrise: Unternehmen werden umstrukturiert, redimensioniert oder geschlossen. Um die finanziellen Verluste einigermassen auszugleichen, müssen konsequent Mitarbeiter entlassen werden. Aber diesmal trifft es nicht nur die “Underdogs”: Dieses Mal geht es höheren und höchsten Etagen an den sauber gebügelten Designerhemdkragen.
Und doch wurde in dieser Zeit auf den Teppichetagen noch kräftig investiert und eingekauft. Man will gross und global mitmischen. Mit fatalen Folgen. Das “Grounding” vom 2. Oktober 2001 hat sich im kollektiven Gedächtnis der Schweiz tief eingeprägt. Ein Jahr später gab es die Swissair nicht mehr.
“Sie sind entlassen worden”. Auch heute will niemand diesen Satz wirklich hören. Aber wir wissen alle, heutzutage ist kein Job, kein Arbeitsplatz mehr sicher. Ob oben oder unten, es kann alle treffen.
Urs Widmer zeigt uns in Top Dogs aus unterschiedlichen Perspektiven und mit viel Witz, wie entlassene Manager, die Top Dogs, versuchen, die Kränkung einer Kündigung in den Griff zu kriegen: Der Verlust des Arbeitsplatzes wird der Umwelt verschwiegen, er wird zu einem Sieg über den ehemaligen Arbeitgeber umgedeutet oder einfach nicht wahrgenommen. Doch nach und nach kommen die Menschen hinter den Managermienen zum Vorschein, ihre Ängste, ihre Sehnsüchte, ihre Träume.
Für die Top Dogs ist “Outplacement” das Gebot der Stunde, und jene Manager, die einst in den Schaltzentralen der Macht sassen, treffen nun in der “New Challenge Company” aufeinander. Aufgeben ist für die Top Dogs keine Option, und selbst wenn man für den neuen Job die Heimat hinter sich lassen muss, hat man ja immerhin drei Freiflüge pro Jahr…
Der Text ist das Echo vieler Gespräche, die wir mit Betroffenen und Beratern geführt haben. Ja, man kann sagen, dass diese an dem Stück mitgeschrieben haben, auch wenn kein Interview im Massstab von 1:1 auftaucht. Und dies nicht nur aus Gründen der Diskretion, sondern auch aus künstlerischen. Aber auch die Verdichtung und poetische Verwandlung dessen, was uns erzählt worden ist, enthält immer noch Wahrheiten und Informationen, die nicht unserer Phantasie entsprungen sind. Manchmal ist, bekanntlich, die Wirklichkeit erfinderischer als die Phantasie. Es geht in Top Dogs nie um einseitige Schuld-zuweisungen oder ideologische Parolen. Und umgekehrt auch nicht darum, blosse Betroffenheit zu erwecken. Erkenntnis, das wäre schon besser. Vielleicht sensibilisiert Top Dogs die Zuschauer für Vorgänge, die bei vielen Betroffenen Scham auslösen, obwohl sie durchaus wissen, dass sie keine “Schuld” trifft. Denn wie sollen Menschen an ihrer Entlassung schuld sein, nur weil Industrie- und Dienstleistungsunternehmen immer radikaler ohne Menschen auskommen zu können meinen?